IAB-Kurzbericht: Erfahrungen von Geflüchteten beim Deutschlernen
Geflüchtete Mütter lernen Deutsch wesentlich schneller, wenn ihre Kinder eine Schule oder Kita besuchen. Bei geflüchteten Vätern lässt sich dagegen kein Zusammenhang zwischen Kinderbetreuung und eigenen Sprachkenntnissen feststellen. Dies ist eines der Ergebnisse einer aktuellen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. Insgesamt zeigt sich, dass für die Deutschkenntnisse von geflüchteten Menschen sowohl persönliche als auch soziale Faktoren eine große Rolle spielen.
Für die IAB-Studie wurden 59 narrativ-biografische Interviews mit Geflüchteten geführt, die in den Jahren 2014 bis 2016 nach Deutschland gekommen waren. Demnach spricht eine Person besser Deutsch, wenn sie motiviert und effizient lernen kann und wenn sie der Sprache im Alltag stärker ausgesetzt ist. So verbessern der Studie zufolge Mütter ihre Sprachkenntnisse, wenn sie die Hausaufgaben der Kinder mitmachen oder mit anderen deutschsprachigen Müttern ins Gespräch kommen. Andererseits gibt es jedoch individuelle Lebensumstände, die den Lernprozess erschweren: der Pflegebedarf von Angehörigen, die Verpflichtung, schnell Geld zu verdienen, um Verwandte zu unterstützen oder traumatisierende Fluchterfahrungen, wie es in der Studie heißt.
Individuelle Spracherwerbsverläufe
Die Lebenserzählungen der Geflüchteten zeigen, dass Zweitsprachlernmechanismen in den Einzelfällen auf komplexe Weise zusammenwirken. Es entstehen Spracherwerbsverläufe mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen und Folgen für die Zukunft der Geflüchteten: „Erfolgreichen Lernprozessen, die von positiven Interaktionen zwischen Lernvoraussetzungen, Erfahrungen und gesellschaftlicher Teilhabe getrieben werden, stehen scheiternde Lernprozesse gegenüber, denen Frust, Selbstzweifel, soziale und professionelle Marginalisierung und nicht selten auch schwierige Lebensumstände ihren Stempel aufdrücken“. Mit weitreichenden Folgen: Die besonderen Herausforderungen der Geflüchteten schlagen sich der Studie zufolge mitunter in Kursabbrüchen, gescheiterten Prüfungen und abgebrochenen Deutschlernprozessen nieder.
Die Autor:innen des IAB-Kurzberichts leiten aus diesen Ergebnissen eine Reihe politikrelevanter Schlussfolgerungen ab. So sollten Angebote für den Zweitspracherwerb stärker auf die Lebensrealität der Geflüchteten ausgerichtet werden. Diese sollten darin unterstützt werden, das Deutschlernen weiterzuverfolgen oder wiederaufzunehmen, unter anderem durch Auffrischungs- und Wiedereinstiegskurse oder durch Teilzeitangebote mit niedrigen Einstiegshürden.
Ein Ansatz, der bei ARRIVO BERLIN in die Tat umgesetzt wird: Eine zielgenaue Verbesserung der Deutschkenntnisse sowie der systematische Aufbau neuer Sprachregister ist bei allen zehn Teilprojekten zentraler Bestandteil der Unterstützungsangebote vor und während der Ausbildung. Zum Programm gehören unter anderem Sprachtandems, Sprach-Coaches und Sprachcafés, Integriertes Fach- und Sprachenlernen (IFSL) sowie Bewerbungs- und Prüfungstrainings aber auch Kommunikationstrainings, in deren Fokus die soziale Interaktion steht (siehe Blogbeitrag „Systematisch, realitätsnah und vernetzt“).
Hier finden Sie eine Zusammenfassung und den IAB- Kurzbericht zum Download: