„Vernünftige Ergebnisse brauchen die Zusammenarbeit von Staat und Zivilgesellschaft“
Was als Pilotprojekt 2014 angefangen hat, wuchs ab dem „Sommer der Flucht“ im Jahr 2015 zu einer Dachmarke mit zehn Teilprojekten heran. Hier blicken wir gemeinsam mit den Teilprojekten auf die bewegten vergangenen Jahre zurück. Heute sprechen wir mit Alexander Fourestié, der Projektleitung von ARRIVO BERLIN Hospitality.
2015 war medial stark geprägt von menschlichen Dramen und tragischen Bildern. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?
Wir arbeiten in unmittelbarer Nachbarschaft des Landesamts für Gesundheit und Soziales (LaGeSo), das damals für die logistische Bewältigung des Zustroms von Geflüchteten zuständig war. Die Bilder der überfüllten Straßen und umliegenden Parks waren lange Zeit bestimmend für unsere tägliche Arbeit. Der Ausgangspunkt des Projektes war die stark steigende Zahl von geflüchteten Menschen in Berlin, für die es kaum Angebote zur arbeitsmarktlichen Integration gab und deren Kompetenzen nur unzureichend erfasst und genutzt wurden.
Die andere Seite der Medaille bei der Arbeitsmarktintegration sind die Betriebe. Warum waren Sie sich so sicher, dass diese sich auf die Neuberliner_innen einlassen würden?
Die Bereitschaft von Unternehmen, Geflüchteten eine berufliche Perspektive zu bieten, wurde in einer Umfrage des bildungsmarkt Unternehmensverbundes zusammen mit dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) Berlin abgefragt. Die positive Rückmeldung und die damit verbundene Bereitschaft waren sehr ausgeprägt. Das Interesse bestätigte sich auch in der Praxis: Die Anzahl unserer Parter_innen wuchs beständig, aktuell auf über hundert Betriebe. Auch die Tatsache, dass das Berliner Gastgewerbe im Allgemeinen händeringend nach motivierten Auszubildenden sucht, ist selbstverständlich ein wichtiger Faktor.
Betriebe in Ihrer Branche leben unter anderem von einer gelungenen Kommunikation zwischen Gästen und Beschäftigten. Wie bereiten Sie ihre Teilnehmenden darauf vor?
Sprachkurse sind ein wichtiger Bestandteil unserer Unterstützungsangebote. Zu Beginn setzten wir mit unseren Deutschkursen auf A1-Niveau an, seit 2017 ist ein vorhandenes B1-Niveau erforderlich. Außerdem sind gastgewerbliche Tätigkeiten als Dienstleistungsangebote einem internationalen Publikum zugedacht und erfordern in der Regel keine muttersprachlichen Deutschkenntnisse. Sprachlich passt das Ganze schon ganz gut.
Im Idealfall führt die Unterstützung durch ARRIVO BERLIN zu einem Ausbildungs- oder Karrierestart für einen Beruf, den man langfristig ausüben kann. Wie ist das in Ihrem Bereich?
Ziel des Projektes ist der Übergang in eine Einstiegsqualifizierung, Ausbildung oder sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Für mehrere hundert Teilnehmer_innen konnten wir dies bereits erreichen. Der Zugang zu einer anerkannten betrieblichen Ausbildung im Gastgewerbe eröffnet für geflüchtete Menschen eine berufliche Zukunft in Deutschland. Wir sind jetzt noch in Kontakt mit Geflüchteten, die wir 2015 kennen- und schätzen gelernt haben. Viele von ihnen sind mittlerweile nach erfolgreich beendeter Ausbildung Fachkräfte, die mitten im Arbeitsleben stehen.
Fünf Jahre ARRIVO BERLIN: Was wirkt nachhaltig auf Sie nach?
Glücklich macht uns der Rückblick auf das, was wir gemeinsam erreichen konnten. Wenn wir sehen, wie viele geflüchtete Menschen sich innerhalb von fünf Jahren in Berlin ein neues Leben aufgebaut haben, empfinden wir großen Respekt vor dieser Lebensleistung. Was ebenfalls nachwirkt ist die Erkenntnis, dass vernünftige Ergebnisse nur durch die Zusammenarbeit von Staat und Zivilgesellschaft erreicht werden können. Für sich genommen wäre jede Seite überfordert.