Handwerksbetriebe besitzen wichtige Mechanismen der Integration
Wie kann die Integration von geflüchteten Menschen in die Betriebe gelingen? Für sein aktuelles Buch „Geflüchtete im Betrieb – Integration und Arbeitsbeziehungen zwischen Ressentiment und Kollegialität“ befragte der Arbeitssoziologe Dr. Werner Schmidt betriebliche Akteure, Beschäftigte und Geflüchtete. Eine wichtige Erkenntnis ist, dass KMU-Betriebe im Handwerk durchaus gute Voraussetzungen für die erfolgreiche Integration mitbringen. Aber sie brauchen auch Unterstützung bei der Begleitung und Vorbereitung von geflüchteten Menschen.
Auch wenn die politischen und kulturellen Unterschiede in den von Dr. Werner Schmidt untersuchten Betrieben eher zurückhaltend artikuliert wurden, sei davon auszugehen, so der Forscher, dass Unternehmen nichtsdestotrotz Spiegelbilder der Gesellschaft seien, wo Menschen unterschiedlicher kultureller und politischer Orientierungen zusammenkommen und zusammenarbeiten.
Gleichzeitig weist der Autor darauf hin, dass Betriebe eine relativ „eigenständige Sphäre“ darstellen. Denn im Unternehmen, anders als in der Gesellschaft, ist Kontakt und Austausch häufig unabdingbar: Eine Situation, die eigene Interaktionen und Effekte hervorbringt.
Kollegialität trotz Differenz
Schmidt benennt einige Effekte dieser eigenständigen betrieblichen Sphäre explizit, wie das Phänomen der „Kollegialität trotz Differenz“. Damit bezeichnet der Forscher eine Situation, in welcher die zunehmende „Normalisierung von Vielfalt“ in den Betrieben gleichzeitig von Ressentiments und emotionaler Ablehnung begleitet werden.
Die Skepsis gegenüber Vielfalt wird zwar nicht selten von einer „praktizierten Freundlichkeit“ überlagert – „deep acting“, wie die arbeitssoziologische Forschung dieses Phänomen bezeichnet –, dennoch kommt es oft auch zu offenen Konflikten: „Es können äußere Ereignisse auftreten, in denen latente Differenzen, von denen gewöhnlich pragmatisch abgesehen wird, verstärkt und eventuell manifest werden.“
Pragmatische Zusammenarbeit
Wie kann in dieser Gemengelage eine produktive Arbeitsatmosphäre geschaffen werden? Der Forscher macht zu dieser Frage auf die von ihm beobachteten „pragmatische Zusammenarbeit“ aufmerksam, die auf eine gemeinsame „Interessenidentität“ aufbaut. Beschäftigte jeder Herkunft verstehen sich somit primär als Arbeitnehmer_in mit einem gemeinsamen Ziel, und weit weniger als soziopolitisch unterschiedliche Menschen.
„Eine längere, alltägliche und zielgerichtete Zusammenarbeit begünstigt das Interesse der Beschäftigten an einer von Konflikten wenig belasteten Zusammenarbeit – auch dann, wenn durchaus Vorbehalte gegenüber Kolleginnen und Kollegen anderer Herkunft bestehen oder ursprünglich bestanden“, so Schmidt.
KMU: gemeinschaftliche Form der Sozialintegration
Exemplarisch für die pragmatische Zusammenarbeit sind die kleineren Handwerksbetriebe, welche häufig einen hohen Grad des Zusammenhaltes aufweisen. Der oft enge und unmittelbare Kontakt zwischen Kolleg_innen am Arbeitsplatz – zu denen sich gerade in kleinen Betrieben mitunter auch der Chef und Meister gesellt – trägt dazu bei, „dass die bestehenden Schwierigkeiten im Kontext einer gemeinschaftlichen Form der Sozialintegration aufgefangen werden können“, unterstreicht der Autor.
Dies setzt allerdings voraus, dass diese Betriebe unterstützt werden. In seiner Untersuchung stellt Schmidt fest, dass „Betriebe, die angaben, keine weiteren Flüchtlinge mehr auszubilden zu wollen“, dafür hauptsächlich den hohen bürokratischen Aufwand oder die hohen Anforderungen in Bezug auf Begleitung und Vorbereitung verantwortlich machten.
Hier können Sie das ganze Buch auf der Webseite der Hans Böckler Stiftung herunterladen.