ARRIVO BERLIN Servicebüro veranstaltet Online-Seminar
Laut einem aktuellen IAB-Forschungsbericht erreicht die Mehrheit der Frauen mit Fluchthintergrund Deutschland zusammen mit ihren Familien, während über die Hälfte der Männer zunächst alleine kommen. Dies hat auf die ökonomische und soziale Teilhabe einen bedeutenden Einfluss. Hinzu kommen Aspekte, wie geringere Berufserfahrung, erhöhte gesundheitliche Beeinträchtigungen und die Versorgung der Familie, die einen beruflichen Werdegang erheblich erschweren, so die Ergebnisse des Berichts.
Modulare Nachqualifizierung als „dritter Weg“
Genau hier setzt die Abschlussorientierte modulare Nachqualifizierung an. Sie nimmt berufliche Vorerfahrungen in den Blick und ergänzt so ganz individuell über unterschiedliche Fachmodule für den Berufsabschluss fehlendes Wissen. Im Vergleich zu mehrjährigen Ausbildungen oder Umschulungen liegt die durchschnittliche Qualifizierungszeit bei 13 Monaten, weiß Frau Dr. Petra Hübner vom SANQ – Netzwerk für Nachqualifizierung und berufliche Bildung e.V. zu berichten.
Dieser „dritte Weg“ zum Berufsabschluss hat neben der verkürzten Qualifizierungszeit und individuellen Planung noch weitere Vorteile für die Teilnehmer_innen: so werden auch im Ausland erworbene berufliche Fähigkeiten anerkannt und Unterbrechungen der Qualifizierung z.B. durch die Aufnahme einer Arbeit mit der erworbenen Teilqualifikation ermöglicht. „Die Module sind alle in sich abgeschlossen und die Zertifikate behalten ihre Gültigkeit, sodass ein Berufsabschluss zu einem späteren Zeitpunkt jederzeit machbar ist“, so Hübner. Dass dieses Konzept seine Wirkung voll entfaltet lässt sich an den erfolgreichen Zahlen des SANQ e.V. ablesen: Zwischen 2014 und 2019 haben 996 Teilnehmende an der IHK / HwK Abschlussprüfung teilgenommen. Von ihnen haben 85 Prozent die Prüfungen im ersten Anlauf bestanden.
Wege zum Berufsabschluss bei ARRIVO BERLIN
Doch nicht alle Menschen mit Fluchthintergrund können auf eine berufliche Biografie zurückblicken. Frau Neumann vom Projekt ARRIVO BERLIN Wege zum Berufsabschluss berichtet im Infozirkel aus ihrer täglichen Beratungspraxis: „Die Situation ist häufig ähnlich, wie bei Jugendlichen im Allgemeinen auch ohne Fluchthintergrund. Einige von ihnen haben sich mit der Frage ‚was möchte ich arbeiten‘ noch nicht beschäftigt. Wieder andere Geflüchtete wollen an ihre berufliche Vergangenheit nicht anknüpfen.“
Daher gehört es zu den zentralen Beratungsthemen, den Zielberuf zu klären. Hierfür spielen u.a. berufliche Erfahrungen und Qualifikationen eine wichtige Rolle, um den Teilnehmenden den passenden Weg zum Berufsabschluss unterbreiten zu können. Hierfür arbeitet das Projekt mit SANQ e.V oder dem Projekt EMSA eng zusammen. Ebenfalls von zentraler Bedeutung auf dem Weg zum Berufsabschluss und Beratungsschwerpunkt sind Sprachkenntnisse in Deutsch. Vor allem in reglementierten Berufen wie Erzieher_in ist das deutsche Sprachniveau eine zentrale Zugangsvoraussetzung.
Doch in der Beratung, gibt es neben der Berufsorientierung und Teilzeitangeboten aufgrund der familiären Situation noch weitere Themen, die besonders Frauen betreffen. „Häufig geht es auch um die Dequalifizierung von Akademikerinnen“, so Neumann. Grund hierfür ist die einzigartige Ausbildungslandschaft in Deutschland. In vielen Ländern sind Berufe, der hier eine Ausbildung zugrunde liegt im Ausland ein Studienfach. Dies sei dann oft nicht kompatibel bzw. die Vergleichbarkeit der Inhalte schwierig.
Für die Teilnehmer_innen des Online Seminars waren dies hilfreiche Inputs und Anregungen für ihre tägliche Arbeit. Dies zeigte auch die rege Diskussion im Gruppenchat, wo zusätzliche Fragen von den Expertinnen beantwortet werden konnten.
Der nächste Infozirkel ist für den Herbst geplant und wird das Thema „Nachteilsausgleich beantragen“ fokussieren.