Vielfalt als betriebliche Normalität, Diskriminierungen als Herausforderung
Vielfalt wird mittlerweile in vielen Betrieben als Normalität anerkannt. Gleichzeitig stellen Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen eine zentrale Hürde zur Integration von geflüchteten Menschen dar. Zu diesen Schlussfolgerungen kommt der Tübinger Politologe Nikolai Huke in seiner aktuellen Studie „Ganz unten in der Hierarchie: Rassismus als Arbeitsmarkthindernis für Geflüchtete.“
Huke untersucht wie Geflüchteten durch Vorurteile, Ausgrenzung, Abwertung und Diskriminierung eine betriebliche Integration verwehrt bleibt. Im Rahmen seines Projekts „Willkommenskultur und Demokratie in Deutschland“, gefördert durch Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), führte er dafür Interviews mit Behörden, Beratungsstellen, Ehrenamtlichen, Gewerkschaften und geflüchteten Menschen durch.
Ablehnung trotz Vielfalt
„Betrieben kommt gegenwärtig eine gesellschaftlich bedeutsame Rolle als Motor der Integration von Geflüchteten zu“, stellt Huke zunächst fest, denn Migration und Herkunftsverschiedenheit in vielen Betrieben werden zunehmend als eine Realität und Normalität akzeptiert.
Gleichzeitig besteht ein deutlich erhöhtes Diskriminierungsrisiko auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt. Nicht nur die Suche nach einer Beschäftigung ist dabei von Diskriminierungserfahrungen geprägt, wie auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2016 bereits berichtete, sondern auch der Betriebsalltag, stellt der Autor fest.
Rassismus ist in diesem Rahmen nicht immer klar von (formeller oder informeller) Diskriminierung aufgrund betrieblicher Hierarchien zu unterscheiden. Huke zeigt dies exemplarisch anhand eines bezeichnenden Zitats eines Mitarbeitenden einer Beratungsstelle:
„Alltagsrassismus ist oft ziemlich implizit. […] Eher, dass man das Gefühl hat, man wird ein bisschen ausgegrenzt: Man wird nicht in die Gespräche der anderen Mitarbeiter so richtig mit inkludiert. Man wird vielleicht extra viel an der Spüle eingesetzt. Es wird erwartet, dass du weiterarbeitest, wenn die anderen eine Pause machen. Dass man Überstunden macht. Man wird ein bisschen abfällig behandelt, ohne dass explizit rassistische Kommentare kommen. […]“
Ein Fall für alle
Bei Diskriminierung verlieren alle, unterstreicht die Studie.
Für geflüchtete Menschen bedeutet Diskriminierung u.a. der Verlust gesellschaftlicher Teilhabe bis hin zum Verlust des Arbeitsplatzes oder gar des Aufenthaltsrechts. Bei Diskriminierungsvorfällen verlieren aber auch die Betriebe, so der Autor: „Ihnen [gehen] qualifizierte und motivierte Beschäftigte verloren.“
„Um eine erfolgreiche Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten zu ermöglichen“, verdeutlicht Huke, „muss Rassismus im Alltag, am Arbeitsplatz oder im Bewerbungsverfahren sichtbar gemacht, kritisiert und sanktioniert werden.“ Besonders schwierig wird dies, wenn die Ausgrenzung stillschweigend erfolge und keine konkrete Beleidigung oder Mobbing vorliegt. „Dass der Vorwurf des Rassismus im Betrieb offen geäußert wird, sei dadurch auch dort, wo entsprechende Fälle auftreten, eher selten“, so der Autor.
Die Gesprächspartner_innen von Huke weisen auf die Bedeutung von systematischen betrieblichen Fortbildungen, sowie Aufklärungs- und Unterstützungsmöglichkeiten zu diskriminierungssensiblen Themen hin, um den betrieblichen Herausforderungen zu begegnen. Auch adäquate Einarbeitungsstrategien für neue Auszubildenden und eine transparente Kommunikation über personalpolitische Entscheidungen stellen mögliche Mechanismen dar, um frühzeitig zu sensibilisieren und vorzubeugen.
Der gesamte Bericht „Ganz unten in der Hierarchie: Rassismus als Arbeitsmarkthindernis für Geflüchtete“ kann hier heruntergeladen werden.