Fachveranstaltung „Integration. Made in Berlin“ am 15. März 2022
Podiumsdiskussion: Theorie meets Praxis
Wie kann die Integration in den Betrieb gelingen und eine Ausbildung erfolgreich bestanden werden? Teilnehmende, Teilprojekte, Betriebe und Senatsverwaltung diskutierten diese Fragen auf der Podiumsdiskussion der Fachveranstaltung.
Seit 2015 habe sich viel verändert. Wo zunächst Unklarheit und Unsicherheit herrschte, sei in den vergangenen Jahren durch eine veränderte Gesetzeslage und durch die Erfahrung im Umgang mit Betrieben und Geflüchteten zunehmend ein „Gefühl der Normalität und der Routine“ entstanden, blickte Alexander Fourestié, Projektleitung des seit 2015 geförderten Teilprojekts ARRIVO BERLIN Hospitality, in der Gesprächsrunde auf die anfängliche Integrationspraxis zurück.
Trotz allem ist das Absolvieren einer Ausbildung und das erfolgreiche Matching zwischen Betrieben und Geflüchteten für alle Beteiligten ein aufwendiger Prozess. Nadja Türke, Projektleitung des ARRIVO BERLIN Servicebüros für Unternehmen, hob die Bedeutung von Motivation und Geduld bei den potenziellen Auszubildenden hervor: „Gehe nicht zu früh in die Ausbildung“, warnte sie. Andererseits appellierte Türke an die „Empathie seitens der Betriebe“. Diese sollten ein „offenes Ohr und Auge“ für die besondere sprachliche und soziale Situation geflüchteter Kolleg:innen mitbringen. Die Belegschaft von Anfang an einzubinden, Vertrauenspersonen bereitzustellen und ein gutes „Onboarding“ stellen außerdem, so Türke, sinnvolle Maßnahmen für alle Auszubildenden dar, nicht nur für diejenigen mit Fluchtgeschichte.
Sprache, Sprache, Sprache
Eindrucksvoll schilderten zwei ehemalige Teilnehmende von ARRIVO BERLIN ihren langen Weg zum Ausbildungsplatz. Alaa Alshihan, Zahntechniker-Geselle und Zaid Al Rubaie, auszubildender Glaser, beschrieben, wie sie sich zunächst über verschiedene Praktika in unterschiedlichen Bereichen erproben konnten. Dies empfanden beide als eine gute Gelegenheit „Berufe kennen[zu]lernen, um klar zu machen, was man machen möchte“, so Alshihan.
Die Hauptherausforderung bei der Ausbildung ist und war es, genügend Deutsch und Fachsprache zu erlernen, um die Theorie in der Berufsschule zu bestehen. Al Rubaies Chef, Detlev Kasten von der Plickert Glaserei-Betriebe GmbH bestätigte dies: „Das Praktische ist kein Thema, Sprache und Theorie sind die großen Herausforderungen. Ich sage immer zu den Auszubildenden: Deutsch, Deutsch, Deutsch. Und wenn ihr damit aufgehört habt: Deutsch, Deutsch, Deutsch“.
Normalität, Stabilität, Kontinuität
In ihrer Reflexion über die Debatte hob Margrit Zauner, Leiterin der Abteilung Arbeit und Berufliche Bildung bei der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales, die Bedeutung und Bedarfe adäquater Wohnräume mit „lernfreudigen Bedingungen“ für Auszubildende hervor. Langfristiges Denken sei außerdem der Schlüssel zum Erfolg: „Eine Ausbildung ist ein Zutrauen in die Zukunft. Dafür braucht es einen langen Atem – sowohl für die Betriebe als auch für die Geflüchteten“. Wichtig sei es dabei, Unterstützungsangebote, insbesondere der Sprachförderung, auch während und gegebenenfalls nach der Ausbildung weiterzuführen.
„Nicht als Flüchtling gesehen zu werden, sondern als Teil der Gesellschaft“, so fasste Alaa Alshihan seine Zukunftshoffnung in der abschließenden Blitzlichtrunde der Podiumsdiskussion zusammen. In die gleiche Kerbe schlugen die anderen Diskutant:innen, die sich mit Blick auf Arbeitsmarktintegration gesellschaftliche Stabilität, Normalität, Kontinuität in den Unterstützungsangeboten und mehr Energie für fachliche Konzepte wünschten. „Berlin wäre geschichtlich nicht die Stadt, die es heute ist, wenn wir keine Geflüchteten aufgenommen hätten“, fasste Detlev Karsten zusammen. „Ich hoffe, dass wir begreifen, dass Geflüchtete immer auch eine Chance sind.“
Die Podiumsdiskussion können Sie auch als Video-Mitschnitt auf unserem YouTube-Kanal sehen.