Louai Hamdosch: Migrationen und Integration
Was sagen Geflüchtete zu ihrer eigenen Integration? Wie schätzen sie das Erlernen einer neuen Sprache ein? Mit welchen Herausforderungen sehen sie sich konfrontiert? Louai Hamdosch nähert sich diesen Fragen in einer Analyse deutschsprachiger zeitgenössischer Literatur von Menschen mit Fluchthintergrund an. Eine Kurzrezension.
Bücher, die von Autor_innen geschaffen wurden, die aus einem anderen Land stammen als dem, in dem sich ihr gegenwärtiger Lebensmittelpunkt befindet, geben einen exemplarischen Einblick in den Integrationsprozess: Welche Themen tangieren geflüchtete Menschen besonders bei ihrer Integration? Ganz oben auf der Liste: Spracherwerb und die daraus entstehenden Herausforderungen, sowie Elemente eines vielfältigen „Kulturschocks“.
In der Monografie „Migrationen und Integration: Ein Buch über Integrationsmuster von Einwandern und Flüchtlingen, die nach Deutschland gehen“, widmet sich Louai Hamdosch nun denjenigen, die sich entschieden haben, auf Deutsch ihre Erfahrungen niederzuschreiben – manchmal eindeutig autobiographisch, ab und zu ergänzt von anonymisierten Fallbeispielen aus der eigenen Umgebung. Meistens vergehen viele Jahre bis die Autor_innen ihre häufig selbstironischen und lösungsorientierten Strategien druckreif vermitteln können: Erst nachdem sie eine gewisse Ruhe gefunden hatten, ist der Boden bereitet für eine Rückbesinnung auf die gemachten Erfahrungen der eigenen Integrationsgeschichte.
Mehrfachzugehörigkeit
Nicht selten befinden sich die geflüchteten Menschen in einer Welt zwischen der alten und der neuen Heimat, in der das Mitgebrachte – mit dem man aufgewachsen ist und das sich in den Gedanken und Verhaltensweisen eingenistet hat – permanent neu formuliert, manchmal aber auch gänzlich abgelegt wird. Mehrfachzugehörigkeit gehört hier zum Standardprogramm – eine Erfahrung, die geflüchtete Menschen „jahrelang begleitet und nicht freilässt“. Das Erlernen der deutschen Sprache ist dabei der größte Brocken „in ihrem Hürdenlauf in der Fremde“, so Hamdosch. Nicht selten geht das mit einem schmerzhaften Verlust der eigenen Mutterspreche einher.
Geben und nehmen
Die Integration wird von vielen Autor_innen als „langwieriger, aber erfolgreicher Prozess“ dargestellt, so fasst Hamdosch den Grundtenor der untersuchten Bücher zusammen, „der sowohl den Migrant_innen als auch dem Aufnahmeland viel Toleranz abverlangt“. Gegenseitiges Geben und Nehmen ist das Motto. Auch wenn Vielfalt hierzulande „zur Normalität und zur Selbstverständlichkeit“ geworden ist, findet das nicht ohne Irritationen und Reibungen statt.
Findet ein erfolgreicher, wechselseitiger Integrationsprozess statt, verringert dies den Druck auf die Neuhinzugezogenen. Diese müssten sich somit nicht „mit jeder Kleinigkeit in der neuen Kultur plagen, sondern versuchen, sich bestimmte Selbstverständnisse und Gewohnheiten anzueignen, die ihnen Missverständnisse und peinliche Situationen im Alltag ersparen“.
Hamdosch, Louai: Migrationen und Integration: Ein Buch über Integrationsmuster von Einwandern und Flüchtlingen, die nach Deutschland gehen. Eigenverlag 2020