Immer mehr Menschen sind wegen der Zerstörung ihres Lebensraums auf der Flucht
Aktuellen Studien zufolge sind jährlich viele Millionen Menschen aufgrund von klimabedingten Katastrophen gezwungen, ihr Zuhause zu verlassen. Der größte Teil von ihnen bleibt jedoch im eigenen Land, auch weil ein Schutz als „Klimaflüchtling“ durch die internationale Staatengemeinschaft in den heutigen Konventionen und Regelungen nicht vorgesehen ist.
Menschen, die wegen Umweltveränderungen infolge des Klimawandels ihr Zuhause aufgeben müssen, aber innerhalb ihres Heimatlandes bleiben, sind so genannte „Binnenvertriebene“. Hier obliegt es dem Herkunftsstaat, für ihren Schutz zu sorgen. Ein Schutz als „Flüchtling“ durch die internationale Staatengemeinschaft kommt dabei nicht in Betracht. Auch die Chancen, in einem anderen Land als Flüchtling anerkannt zu werden, sind bislang gering. Denn „Klimaflüchtlinge“ oder „Umweltflüchtlinge“ sind keine Flüchtlinge im rechtlichen Sinn.
Die Genfer Flüchtlingskonvention, Ausgangspunkt für den Schutz von Flüchtlingen, kennt keine Klima- oder Umweltflüchtlinge. Artikel 1 definiert einen Flüchtling als Person, die wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung hat. Menschen, die aus persönlichen oder materiellen Notlagen wie Hunger, Krieg oder Umweltzerstörung fliehen, sind in dieser Definition nicht mitgedacht.
200 Millionen potentielle Klimaflüchtlinge bis 2050
Laut dem Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) haben 2021 rund 23,7 Millionen Menschen ihre Heimat aufgrund von Naturereignissen wie Dauerregen, langanhaltenden Dürren, Hitzewellen und Stürmen sowohl kurz- als auch langfristig verlassen. Insgesamt suchen neun von zehn Geflüchteten Schutz in ihrem eigenen oder einem Nachbarland.
Auch künftig wird es aufgrund des globalen Klimawandels nach Schätzung der Weltbank zu massiven Bevölkerungsbewegungen kommen. 2050 könnte es demnach über 200 Millionen Klimaflüchtlinge geben. Besonders betroffen: Länder des globalen Südens. Zunehmend führten dort klimatische Veränderungen dazu, dass Ernten ausbleiben und Lebensräume zerstört werden, so die Weltbank in ihrem Bericht „Acting on Internal Climate Migration“, der im September vergangenen Jahres veröffentlicht wurde.
Dem Bericht zufolge könnte es bis 2050 in Afrika südlich der Sahara 86 Millionen Klimaflüchtlinge geben, in Ostasien und im Pazifikraum 49 Millionen, in Südasien 40 Millionen, in Nordafrika 19 Millionen, in Lateinamerika 17 Millionen und in Osteuropa und Zentralasien fünf Millionen. Gründe seien unter anderem ein drohender Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion, Wasserknappheit und steigende Meeresspiegel.
Konflikte durch Klimawandel
Dem UNHCR zufolge lösen Naturkatastrophen mehr als dreimal so viele Vertreibungen aus, wie Konflikte und Gewalt. Zugleich verstärke sich dadurch der Wettstreit etwa um Wasser, Nahrungsmittel oder Weideland. Und daraus könnten sich neue Konflikte entwickeln. Durch Ressourcenverknappung und damit einhergehenden Verteilungskämpfen wird der Klimawandel also immer mehr auch mittelbar zu einem Auslöser von Fluchtbewegungen, die über die Grenzen des betroffenen Landes hinausgehen könnten.
Dieser Tatsache wird auch im UN-Flüchtlingspakt Rechnung getragen, der am 19. September 2016 von den Mitgliedsstaaten einstimmig verabschiedet wurde. „Klima, Umweltzerstörung und Naturkatastrophen sind zwar für sich selbst genommen keine Ursachen für Fluchtbewegungen, stehen aber immer häufiger in Wechselwirkung mit den Triebkräften solcher Bevölkerungsbewegungen“, heißt es darin. Notwendig seien deshalb Maßnahmen „zur Bekämpfung der Triebkräfte und Auslöser sowie eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen Akteuren aus den Bereichen der Politik, der humanitären Hilfe, der Entwicklung und der Friedensarbeit.“
Quellen:
https://www.bpb.de/themen/migration-integration/kurzdossiers/283563/rechtliche-schutzmoeglichkeiten-fuer-klimafluechtlinge/
https://www.oxfam.de/blog/interview-klimawandel-migration
https://openknowledge.worldbank.org/handle/10986/36248
https://www.uno-fluechtlingshilfe.de/hilfe-weltweit/fluechtlingsschutz/genfer-fluechtlingskonvention
https://www.unhcr.org/dach/de/was-wir-tun/umwelt-klimawandel-fluechtlingsschutz
https://www.unhcr.org/dach/de/services/faq/faq-globaler-pakt-fuer-fluechtlinge