Studie: Geflüchtete fühlten sich in der Corona-Pandemie stärker diskriminiert als zuvor
Die Corona-Pandemie und damit einhergehende Schutzmaßnahmen haben sich stark auf die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten und die Arbeit von ARRIVO BERLIN ausgewirkt. Weniger Ausbildungsplätze und Praktika, ausgefallene Sprachkurse, mangelhafte Zugangsmöglichkeiten zu digitalen Angeboten – all das hinterließ tiefe Spuren. Eine neue Studie belegt: Geflüchtete fühlten sich in der Corona-Pandemie zudem stärker diskriminiert als zuvor.
Geflüchtete, die in den Jahren 2013 bis 2016 nach Deutschland gekommen sind, fühlten sich im ersten Jahr der Corona-Pandemie diskriminierter als zuvor. Erlebnisse von Zurücksetzung und geringeren Chancen betrafen insbesondere die Arbeitssuche und Bildungseinrichtungen, wie aus einer neuen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hervorgeht. Unter die Lupe genommen wurden auch die Bereiche Wohnungssuche, Alltag, Behördengänge und Kontakt mit der Polizei.
Demnach gaben 2020 im Vergleich zum Jahr 2019 für alle untersuchten Lebensbereiche mehr Geflüchtete an, dem eigenen Empfinden nach aufgrund ihrer Herkunft manchmal oder sogar häufig benachteiligt zu werden. Am häufigsten diskriminiert fühlten sich Geflüchtete, die in Ostdeutschland lebten, jünger als 40 Jahre alt waren oder schlechtere Kenntnisse der deutschen Sprache aufwiesen sowie erwerbstätige Frauen.
In die Studie eingeflossen sind Daten von fast 4.000 Geflüchteten, die im Rahmen der repräsentativen IAB-BAMF-SOEP-Geflüchtetenbefragung des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) im DIW Berlin, des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erhoben wurden.
Corona hat Geflüchtete in Deutschland zurückgeworfen
Die Ergebnisse geben Auskunft darüber, wo und wie stark Geflüchtete Diskriminierung wahrnehmen – das muss sich jedoch nicht zwangsläufig mit der tatsächlichen Diskriminierung decken. Da diese häufig versteckt oder in subtilen Formen abläuft und daher nur schwer zu messen ist, hat sich die wahrgenommene Diskriminierung aber als gängiges Maß etabliert.
Verantwortlich für die Zunahme der wahrgenommenen Diskriminierung waren wohl ökonomische und soziale Verwerfungen im Zuge der Corona-Pandemie, heißt es in der Studie. Geflüchtete arbeiteten häufig in prekären Arbeitsverhältnissen und in Branchen wie Gastronomie oder Tourismus, die von Maßnahmen wie dem Lockdown besonders betroffen waren. Dementsprechend häufig verloren sie in diesem Zusammenhang ihren Job. Zudem seien Sprach- und Integrationskurse mindestens vorübergehend eingestellt worden oder für viele Geflüchtete nur schwer bis gar nicht über digitale Wege zugänglich gewesen.
Bei der Arbeit fühlten sich 2020 insgesamt 31 Prozent manchmal oder häufig benachteiligt – sechs Prozentpunkte mehr als ein Jahr zuvor. Bei der Suche nach einer Erwerbstätigkeit empfanden 39 Prozent der Geflüchteten Diskriminierungen – acht Prozentpunkte mehr als 2019. Besonders betroffen äußerten sich geflüchtete Frauen: Sie sahen sich zu 35 Prozent bei der Arbeitssuche diskriminiert, gegenüber 25 Prozent der Männer. Zudem schnellte der Anteil derer, die sich beim Lernen und Studieren diskriminiert sahen, zwischen 2019 und 2020 von 17 auf 32 Prozent nach oben.
Integrationsprozess darf in Krisenzeiten nicht stoppen
Die Analyse von Diskriminierung ist besonders wichtig, da sie unter anderem deren Beschäftigungsmöglichkeiten sowie den Zugang zu Gesundheitsleistungen, Bildung und Wohnraum beeinflusst. „Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt geht oft mit niedrigeren Löhnen und weniger Stellenangeboten einher sowie mit der Beschäftigung in Berufen, die geringere Qualifikationen erfordern“, so Studien-Co-Autor Christopher Prömel. „Somit kann Diskriminierung die Erwerbsbeteiligung und die Motivation für Aus- und Weiterbildung beeinträchtigen.“
Forschung im Bereich der Psychologie zeige außerdem, dass ein höheres Maß an Diskriminierung mit einem höheren Maß an psychischem Stress verbunden sei und die Gesundheit von Menschen gefährde. Die Autor:innen mahnen deshalb, weiter und flexibel Hilfen für Geflüchtete anzubieten und „gezielt in staatliche Maßnahmen zu investieren, die die Integration von Geflüchteten verbessern.“
Gerade auch in Krisenzeiten dürfe der Integrationsprozess nicht stoppen, heißt es weiter. Dass derzeit viele Ukrainerinnen und Ukrainer nach Deutschland flüchten, vergrößere die künftigen Herausforderungen noch. Wichtig sei, sich um die Integration aller Geflüchteten zu kümmern und nicht die Bedürfnisse einzelner Gruppen zurückzustellen. Es müsse um die Integration aller gehen und darum, „deren soziale und wirtschaftliche Teilhabe zu sichern.“