Studie: Barrieren und Chancen für die Einstellung von Geflüchteten in deutschen Unternehmen
Trotz Fachkräftemangels und der Bereitschaft vieler Geflüchteter, eine Ausbildung aufzunehmen, liegt ihre Anzahl im dualen Ausbildungssystem noch immer weit unter ihrem Potenzial. In einer Studie hat die Universität Würzburg die Auswahlkriterien von Unternehmen bei der Suche nach geeigneten Azubis untersucht. Ergebnis: Gute Sprachkenntnisse, Disziplin und Motivation sind wichtige Faktoren für die Einstellung von Menschen mit Fluchthintergrund.
Die Studie „Barrieren und Chancen für die Einstellung von Geflüchteten in deutschen Unternehmen“ basiert auf einem so genannten „Auswahlexperiment“, an dem im Sommer 2021 rund 1.100 Ausbildungsunternehmen in Süddeutschland teilnahmen. Den Personalverantwortlichen wurden mehrfach je zwei Bewerber:innen vorgelegt, eine:r davon mit Fluchterfahrung. Sie sollten dann jeweils angeben, welche:n davon sie eher für eine Ausbildungsstelle einstellen würden.
Die Ergebnisse sind einerseits ernüchternd, andererseits ermutigend
Vor die Wahl gestellt zwischen einem:r niedrig gebildeten deutschen Bewerber:in (Hauptschulabschluss) und einem:r Bewerber:in mit Fluchterfahrung entscheiden sich rund 61 Prozent der befragten Unternehmen für den:die deutsche Bewerber:in und 39 Prozent für den:die Bewerber:in mit Fluchterfahrung. Dieser relative Nachteil für Geflüchtete existiert trotz im Schnitt höherer formaler Schulbildung bei den fiktiven Bewerberprofilen von Geflüchteten und vergleichbaren Qualifikationskriterien wie Praktika, Engagement im Sportverein oder Abwesenheitszeiten beim vorausgegangenen Bildungsträger.
Bewerber:innen, die nur eine Duldung besitzen, schneiden noch schlechter ab: die Chance auf einen Ausbildungsplatz trotz fortgeschrittenen Deutschkenntnissen und im Ausland erworbenen Gymnasialabschluss liegt bei ihnen nur bei rund 35 Prozent, selbst wenn der:die deutsche Bewerberin einen formal niedrigeren Schulabschluss aufweist.
Sichere Sprachkenntnisse helfen den Bewerber:innen jedoch generell, bei den Unternehmen zu punkten. Daneben werden aber auch insbesondere Signale für Disziplin, Leistungsbereitschaft und Motivation als entscheidende Kriterien bei der Einstellung von Geflüchteten herangezogen. Besonders wichtige Indikatoren dafür sind absolvierte Praktika und geringe Fehlzeiten im Schul- beziehungsweise Kursalltag.
Alle Seiten müssen aktiv werden
Von den untersuchten Politikmaßnahmen erhöhte nur ein Sprachförderungsprogramm (ein vorgeschaltetes Lehrjahr mit intensiver sprachlicher Vorbereitung) die Bereitschaft der Unternehmen zur Ausbildung von Geflüchteten. Hingegen fand sich kein signifikanter Effekt für das Angebot eines Mentoringprogramms oder einer automatischen „3+2 Ausbildungsduldung“ ohne Antragsstellung.
Das Fazit der Wissenschaftler lautet: „Die duale Ausbildung kann als Türöffner für die Integration von Geflüchteten dienen.“ Hierfür müssten aber alle Seiten aktiv werden. Geflüchtete sollten versuchen (und dahingehend beraten werden), sich durch gute Sprachkenntnisse, Disziplin und Motivation auszuzeichnen. Die Unternehmen sollten verstärkt niedrigschwellige Schnupperpraktika anbieten, die eine bessere Einschätzung der Qualifikation der Geflüchteten für eine Ausbildung ermöglichen. Wirtschaft und Politik sollten für Zugang zu (sprachlichen) Förderprogrammen und deren enge Verzahnung mit der dualen Ausbildung sorgen.
ARRIVO BERLIN setzt in seiner Zusammenarbeit mit Berliner Betrieben und mit Geflüchteten, die einen Ausbildungsplatz suchen, an genau diesen Stellschrauben an. Mit individueller Unterstützung und Angeboten wie berufsbezogenen Sprachkursen, ehrenamtlichen Mentor:innen, Ausbildungscoaching oder der Vermittlung von Praktikumsplätzen schafft der Projektverbund wichtige Voraussetzungen für eine gelingende berufliche Integration.
Felfe, C. / Kagerbauer, L. / Müller, M. / Sajons, C. / Saurer, J. / Zwick, T.: Mehr Ausbildung wagen! Barrieren und Chancen für die Einstellung von Geflüchteten in deutschen Unternehmen. Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Würzburg 2022
Internet: https://www.wiwi.uni-wuerzburg.de/fileadmin/12010400/2022/Policy_Brief_20220523.pdf