Die ARRIVO BERLIN Fachveranstaltung – einige Höhepunkte
„Wenn es ARRIVO BERLIN nicht gäbe, müsste man es erfinden.“ In ihrem Grußwort würdigte die Berliner Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales, Katja Kipping, die Ausbildungsinitiative als „Win-Win-Situation für Geflüchtete und Betriebe“. Zu dem digitalen Fachaustausch hatte ARRIVO BERLIN Vertreter:innen und Praktiker:innen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Trägerlandschaft eingeladen, um über Herausforderungen und Chancen bei der beruflichen Integration von Menschen mit Fluchthintergrund zu diskutieren. Weit mehr als 200 Interessierte loggten sich am 15. März 2022 in das Programm mit Impulsreferaten, Podiumsdiskussion, Marktplatz der Ideen und Workshops ein.
Für eine nachhaltige Integration geflüchteter Menschen sei die gesellschaftliche Teilhabe und damit auch die Teilhabe am Erwerbsleben enorm wichtig, betonte Kipping in ihrer Videobotschaft zu Beginn der Veranstaltung. ARRIVO BERLIN helfe zum einen Geflüchteten, den Zugang zu Erwerbsarbeit und beruflicher Praxis zu bekommen. Zum anderen helfe es aber auch Unternehmen, die händeringend nach Fachkräften suchten. Das Land Berlin fördere die Initiative seit 2014 „aus voller Überzeugung“, so Kipping.
Acht Jahre Entwicklung
In seinem Impulsvortrag „Acht Jahre ARRIVO BERLIN“ gab der Projektleiter der Technischen Koordinierung ARRIVO BERLIN, Dr. Johnny Van Hove, einen quantitativen und qualitativen Überblick zur Initiative. 2014 als ein Modellprojekt gestartet, entwickelte sie sich innerhalb weniger Jahre zu einem Projektverbund mit zehn branchenspezifischen und branchenübergreifenden Teilprojekten. Die Palette der Angebote umfasst Berufsorientierung und Berufsvorbereitung, Beratung und Unterstützung zu Aufenthalt und Ausbildung, berufsbezogene Deutsch- und Fachkurse, Arbeitserprobungen, Hospitationen und Praktika sowie Matching mit Betrieben. Seit 2017, als ARRIVO BERLIN weitgehend seine momentane Beratungs- und Verbundstruktur fand, seien rund 4.500 geflüchtete Menschen unterstützt worden, betonte Van Hove. [Zur Power Point Präsentation]
„In Relation zu den Ausgangsbedingungen haben wir eine Menge geschafft“, fasste Margrit Zauner, Leiterin der Abteilung Arbeit und Berufliche Bildung bei der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales das Erreichte seit dem „Sommer der Flucht“ im Jahr 2015 zusammen. Die „hohe Empathie“ und die „große Willkommenskultur“ von Kammern, Innungen und Betrieben sei der Initialimpuls für die Ausbildungsinitiative gewesen. Diese grundsätzlich in Berlin vorhandene Willkommenskultur stelle angesichts von derzeit täglich tausenden Geflüchteten aus der Ukraine auch jetzt wieder eine bedeutsame Integrationsvoraussetzung dar, betonte sie. [Siehe Artikel „Hohe Willkommenskultur der Betriebe“]
Berlin ist gut gerüstet
Der Leiter des Fachbereichs Marktentwicklung/Migration der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit Berlin-Brandenburg, Oliver Kurz, beleuchtete die Entwicklung der Arbeitsmarktsituation von geflüchteten Menschen in Berlin: Hatten Ende 2015 gerade einmal 141 geflüchtete Menschen einen Ausbildungsvertrag, so waren es im Dezember 2020 rund 2.200. „Die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten in Berlin gelingt“, betonte Kurz, der die Bundeshauptstadt auch für die Integration der geflüchteten Menschen aus der Ukraine gut gerüstet sieht. Sprach- und sonstige Unterstützungsangebote seien vorhanden und könnten bei Bedarf hochgefahren werden. „Wenn wir an einem Strang ziehen, werden wir das schaffen“, unterstrich er. [Zur Power Point Präsentation – Siehe auch Artikel „Berlin ist Spitzenreiter“]
In der Podiumsdiskussion „Theorie meets Praxis“ kamen Praktiker:innen aus dem Projektverbund, von Unternehmen und der Senatsverwaltung sowie ehemalige Teilnehmende zu Wort. Die Leitfrage lautete: Wie kann die Integration in den Betrieb gelingen und eine Ausbildung erfolgreich bestanden werden? Gesellschaftliche Stabilität, Normalität, Kontinuität in den Unterstützungsangeboten und mehr Energie für fachliche Konzepte wurden als wichtige Voraussetzungen genannt. Betriebe sollten ein „offenes Ohr und Auge“ für die besondere sprachliche und soziale Situation geflüchteter Menschen haben, betonte Nadja Türke vom ARRIVO BERLIN Servicebüro. „Nicht als Flüchtling gesehen zu werden, sondern als Teil der Gesellschaft“, so fasste Alaa Alshihan seine Zukunftshoffnung in der abschließenden Blitzlichtrunde der Podiumsdiskussion zusammen. (Siehe Artikel „Worauf es ankommt“)
Marktplatz der Ideen
Nach der Mittagspause ging es im sogenannten Marktplatz der Ideen auf der Vernetzungsplattform Wonder weiter. An fünf Marktständen sowie in selbst organisierten, dynamischen Gesprächsrunden konnten sich die Teilnehmenden austauschen, informieren und gegenseitig kennenlernen. Auch der Situation der Geflüchteten aus der Ukraine wurde dabei Raum gegeben. Für viele Teilnehmende war diese Art des digitalen Netzwerkens sicherlich neu und gewöhnungsbedürftig. Das „Herumwandern“ mit einem Avatar und die intuitiven Möglichkeiten, direkt ins Gespräch zu kommen, fanden jedoch auch schnell begeisterte Nutzer:innen.
Workshops am Nachmittag
Im Anschluss daran starteten die mit Spannung erwarteten Workshops. Die Teilprojekte von ARRIVO BERLIN hatten gemeinsam mit Betrieben, Geflüchteten und Kooperationspartner:innen Gesprächs- und Arbeitsgruppen von 90 Minuten organisiert. Angesprochen wurden zahlreiche zentrale Themen der Ausbildungs- und Arbeitsmarktintegration Geflüchteter an der Schnittstelle von Berufsorientierung, Spracherwerb, Ansprache und Akquise, Beratung und Unterstützung, Zusammenarbeit mit Betrieben, Gender und Anti-Diskriminierung.
Unter dem Titel „Ich brauche einen Job, egal was!“ diskutierten Mitarbeitende von ARRIVO BERLIN Hospitality und MobiJob – Mobile Jobberatung für geflüchtete Menschen mit den Teilnehmenden von Workshop 1 über den Umgang mit dem Thema Erwerbsbiographie in der beruflichen Orientierung von Geflüchteten. Chancen und Herausforderungen einer community-basierten Ansprache von Geflüchteten in Kooperation mit Migrant:innenorganisationen wurden in Workshop 2 unter die Lupe genommen. Eingeladen hatten der Verband für interkulturelle Arbeit (VIA e.V.) und die Zentralstelle für Weiterbildung im Handwerk (ZWH e.V.)
Neue Ansätze für das Matching von geflüchteten Menschen mit Berliner Unternehmen stellten die Kolleg:innen von ARRIVO BERLIN Ringpraktikum in Workshop 3 vor. Vertreter:innen aus zwei Berliner Betrieben berichteten dabei über ihre Konzepte zur Unterstützung von Auszubildenden mit (und ohne) Fluchthintergrund. Dabei gehe es nicht nur um Lernangebote oder Hilfen bei der Prüfungsvorbereitung: Wichtig sei ein umfassendes Engagement, das auch die Unterstützung bei Antragstellungen, die Lösung von Alltagsproblemen wie Wohnungssuche und psychosoziale Belastungen oder die Vermittlung von ehrenamtlichen Begleiter:innen umfasse, betonten sie.
Gendersensible Angebote
Die Arbeitsmarktintegration von geflüchteten Frauen stand im Mittelpunkt von Workshop 4: „Unsichtbare Hürden sichtbar machen“. Mitarbeiter:innen der Mobilen Bildungs- und Berufsberatung für geflüchtete und zugewanderte Frauen (KOBRA) berichteten über ihre Arbeit und diskutierten mit den Teilnehmenden über Herausforderungen in der Zusammenarbeit mit Behörden, über eine abflauende Willkommenskultur, Vorbehalte in Betrieben, Diskriminierungserfahrungen und fehlende Rechtssicherheit. Notwendig sei es, Wissen, Haltung und Zuständigkeiten zu klären, um geflüchtete Frauen „mitzunehmen“ und ihnen ein Gefühl der Stabilität vermitteln zu können, hieß es.
„Vom Schaffen und Scheitern“ lautete der Titel von Workshop 5, zu dem die ARRIVO BERLIN Übungswerkstätten Unternehmer:innen und Auszubildende eingeladen hatten, um über ihre Erfahrungen mit Behörden, Institutionen und dem Ausbildungssystem zu berichten. Wie mit einer individuellen Unterstützung Lösungen für Menschen mit Fluchthintergrund und ihre Betrieben erarbeitet werden können, besprachen sich die Teilnehmenden von Workshop 6, der vom ARRIVO BERLIN Servicebüro für Unternehmen und dem ARRIVO BERLIN Ausbildungscoaching organisiert worden war. Im Mittelpunkt von Workshop 7 stand die zunehmende Interkulturalität im Gesundheits- und sozialen Bereich. In Interviews mit aktuellen und ehemaligen Teilnehmenden zeigten ARRIVO BERLIN Gesundheit und ARRIVO BERLIN Soziales Herausforderungen und Wege auf.
In Workshop 8 schließlich ging es um die Frage, wie geflüchtete Menschen eine Ausbildung sprachlich erfolgreich meistern können. Dass Sprachkenntnisse eine herausragende Rolle bei der beruflichen Integration von Geflüchteten spielen, war bereits zuvor in vielen Programmpunkten der Fachveranstaltung betont worden. Organisiert worden war dieser Austausch von ARRIVO BERLIN Wege zum Berufsabschuss, ARRIVO BERLIN Bauwirtschaft, ARRIVO BERLIN SHK sowie dem Netzwerk EMSA, welche das Integrierts Fach- und Sprachlernen (ISFL) als Konzept zum nachhaltigen Aufbau berufsbezogener sprachlich-kommunikativer Kompetenzen vorstellten.
Mit einem kurzen Wrap-Up anhand eines visuellen Protokolls der großen Leitlinien und -themen (Graphic Recording) wurde die Veranstaltung am Nachmittag von Moderatorin Merve Navruz beendet. Wir danken allen Beteiligten für ihre Teilnahme.
Mitschnitte von der Fachveranstaltung können Sie auch auf unserem YouTube-Kanal sehen.