Ausbildung von Geflüchteten trägt zur Fachkräftesicherung bei
Der Arbeitskräftemangel ist zunehmend spürbar und soll weiter zunehmen. Die Ausbildung von Geflüchteten kann den Fachkräftemangel abfedern. Damit Zuwanderer ihre Potenziale gut entfalten und in Deutschland bleiben, spielt auch die Willkommenskultur eine zentrale Rolle.
Wer einen Handwerker benötigt oder einen KiTa-Platz sucht, spürt schon heute den Fachkräftemangel. Doch die Lage soll sich Insbesondere ab 2025, wenn die geburtenstarken Jahrgänge, die sogenannten Babyboomer, in Rente gehen, weiter zuspitzen.
„Bis 2035 verliert Deutschland durch den demografischen Wandel sieben Millionen Arbeitskräfte und damit ein Siebtel des Arbeitsmarkts“, sagte Enzo Weber vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in 2022. Besonders groß ist der Mangel in den Bereichen Erziehung, Soziales, Pflege, Handwerk sowie IT.
Der zunehmende Ernst der Lage zeigt sich darin, dass Unternehmen deutlich länger brauchen, um ausgeschriebene Stellen zu besetzen. Nach Daten der Bundesagentur für Arbeit, die von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und dem Institut für Wirtschaftsforschung (ifo) analysiert wurden, betrug die Besetzungsdauer im Jahr 2022 durchschnittlich fünf Monate, 2021 waren es rund vier Monate und 2010 noch rund zwei Monate.
Der Arbeitskräftemangel bremst das Land aus. Schon heute sind nach Schätzung des stellvertretenden DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks in Berlin rund zwei Millionen Arbeitsplätze vakant: „Das entspricht einem entgangenen Wertschöpfungspotenzial von fast 100 Milliarden Euro.“
Fehlende Fachkräfte werden auch zum Nadelöhr der Energiewende. Neben der Gewinnung ausländischer Fachkräfte ist auch die Qualifizierung von Menschen mit Flucht- oder Migrationshintergrund beispielsweise durch die duale Ausbildung ein Baustein dafür, dass die Energiewende in Deutschland wie geplant umgesetzt werden kann (siehe Gastbeitrag im MiGAZIN Fehlende Fachkräfte: Nadelöhr der Energiewende). Indem der Projektverbund ARRIVO BERLIN Menschen mit Fluchthintergrund auf ihrem Weg zu Berufen mit Zukunft – beispielsweise im Bereich SHK oder als Dachdecker – unterstützt, trägt er auch zu Erreichung der Klimaneutralität bei (siehe Artikel ARRIVO BERLIN und die Klimaneutralität).
Holger Schäfer vom Institut der deutschen Wirtschaft warnte: „Wir müssen uns von dem Gedanken verabschieden, nur noch fertig ausgebildete Fachkräfte nach Deutschland zu holen. Ob qualifiziert oder unqualifiziert: Wir können froh sein, wenn überhaupt genügend Menschen einwandern.“ Einwander:innen könnten auch in Deutschland noch ausgebildet werden. Um den durch den demographischen Wandel prognostizierten Rückgang an Arbeitskräften abzufedern, brauche es einen jährlichen Zuwachs von 400.000 Erwerbstätigen. Berücksichtige man, dass über eine Million Menschen in Deutschland jedes Jahr abwanderten, müssten fast 1,5 Millionen Menschen pro Jahr einwandern.
Andrea Nahles, Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, sieht das Problem beim aktuellen Fachkräftemangel auch bei der hohen Zahl derer, die wieder auswandern. Laut Nahles beklagten viele dieser Auswanderer:innen, dass sie unterhalb ihrer Qualifikation arbeiteten, weil ihre Berufsabschlüsse nicht anerkannt würden. „Außerdem hätten sie gern ihre Familie bei sich, die darf aber nicht kommen.“ Um mehr Fachkräfte zu gewinnen, fordert Nahles eine neue Willkommenskultur.
Mangelnde Willkommenskultur behindert auch die Entfaltung der Potentiale derer, die schon länger in Deutschland sind. Laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung (HBS) trägt die strukturelle Benachteiligung von Menschen mit Migrationsgeschichte bei der Vergabe von Ausbildungsplätzen dazu bei, dass mehr und mehr ausgeschriebene Ausbildungsplätze unbesetzt und gleichzeitig viele Suchende ohne Ausbildungsplatz bleiben.