Traumata und deren Folgen
Nachdem traumatische Erlebnisse und ihre Folgen lange Zeit nicht ausreichend wahrgenommen wurden, hat das Bewusstsein dafür zugenommen. Doch nur wenige traumatisierte Geflüchtete in Deutschland sind in psychotherapeutischer Behandlung. Als eine Reaktion auf traumatische Ereignisse kann eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) auftreten.
Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist eine psychische Erkrankung, die als Reaktion auf ein oder mehrere traumatische Ereignisse auftreten kann und anhaltende, krankheitsbedingte Symptome verursacht. PTBS tritt in der Regel innerhalb von sechs Monaten nach dem oder den traumatischen Ereignissen auf und geht mit verschiedenen psychischen und psychosomatischen Symptomen einher. Neben wiederkehrenden Albträumen, Flashbacks und erhöhter Erregbarkeit können auch emotionale Taubheit, Hilflosigkeit und eine Erschütterung des Selbst- und Weltverständnisses auftreten. Eine PTBS geht häufig mit Begleiterkrankungen und -beschwerden einher.
Eine junge Diagnose
Bis vor wenigen Jahrzehnten nahmen weder die allgemeine Öffentlichkeit noch professionelle Berater:innen ausreichend wahr, dass als Folge von Kriegs- und Gewalterlebnissen anhaltende und krankmachende Symptome auftreten können. Erst die Beschäftigung mit Überlebenden des Holocaust sowie mit traumatisierten (US-amerikanischen) Veteranen des Vietnamkrieges führte in den 1970er Jahren zu einem Umdenken in der Fachwelt und später auch in der allgemeinen Bevölkerung. Die Posttraumatische Belastungsstörung ist eine verhältnismäßig junge Diagnose. Die Diagnose PTBS wurde erstmals 1980 in das amerikanische Diagnosemanual DSM-III aufgenommen. Die Übertragung der Diagnose als Posttraumatische Belastungsstörung in die Bundesrepublik Deutschland erfolgte Anfang der 1990er Jahre, also etwa zehn Jahre nach ihrer Etablierung im DSM. Das Bewusstsein für psychische Gesundheit und die Folgen von Traumata ist stetig gewachsen. Die seit Jahren anwachsenden Herausforderungen im Bereich der psychischen Gesundheit, wurden durch die COVID-19-Pandemie verstärkt. Zwar wurde dadurch das Bewusstsein für psychische Erkrankungen weiter geschärft, zugleich allerdings vergrößerten sich die Schwierigkeiten beim Zugang zur psychischen Gesundheitsversorgung.
Hohes Risiko für Traumafolgestörungen bei Geflüchteten
Internationale Studien belegen grundsätzlich ein hohes Risiko für Traumafolgestörungen wie PTBS und andere psychische Erkrankungen bei Geflüchteten. Besonders häufig sind PTBS bei Kriegsgeflüchteten, die wiederholt schwere traumatische Ereignisse erlebt haben. Im Buch „Trauma – Flucht – Asyl“ (siehe Artikel „Postmigratorische Belastungsfaktoren behindern Integrationsprozess“), zeigen Berichte von Geflüchteten, dass traumabezogene psychische Störungen ihren Ursprung neben Kriegs- oder Verfolgungserlebnissen auch in sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt, Armut oder der oft gefährlichen Reise in ein sicheres Land haben können. Das Buch zeigt auch, dass postmigratorische Belastungsfaktoren in Wechselwirkung stehen mit der psychischen Gesundheit traumatisierter Geflüchteter.
Wenige traumatisierte Geflüchtete in psychotherapeutischer Behandlung
Allerdings suchen nur wenige traumatisierte Geflüchtete in Deutschland eine psychotherapeutische Behandlung auf. Unter anderem aufgrund von Sprachbarrieren sowie sozialer und rechtlicher Marginalisierung wird die Belastung durch wiederholte Traumatisierungen bei Asylsuchenden und Geflüchteten häufig nicht erkannt und adäquat behandelt. Dass von den vielen Kriegsgeflüchteten, die traumatische Ereignisse erlebt haben, nur wenige in Behandlung sind, wurde auch in der 3sat-Sendung „scobel“ vom Februar 2023 diskutiert.
Traumasensible Beratungsarbeit
In der Beratung von potenziell traumatisierten Menschen ist es wichtig, eine traumasensible Haltung einzunehmen. Wie diese traumasensible Arbeit aussehen kann, beschreibt der Gastbeitrag „Eine traumasensible Gesprächsatmosphäre entwickeln“ von Till Voigts, Psychologischer Psychotherapeut bei der Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migrant_innen (KuB) in Berlin.
Die eigene notwendige Distanz wahren
Da es in der Arbeit und im Austausch mit traumatisierten Menschen zur sogenannten Sekundärtraumatisierung kommen kann, ist es im Sinne des Selbstschutzes essentiell, „die eigene notwendige Distanz zu wahren“, so der Praxisleitfaden „Traumasensibler und empowernder Umgang mit Geflüchteten“ der bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF). Der Leitfaden geht darauf ein, wie die eigene psychische Gesundheit geschützt werden kann: „Abstand gewinnen“, „Grenzen setzen“, „Unterstützung suchen“ sind nur einige empfohlene Schutzmaßnahmen.
Quellen:
Thomas Maier, Naser Morina, Matthis Schick, Ulrich Schnyder (Hrsg.): Trauma – Flucht – Asyl. Ein interdisziplinäres Handbuch für Beratung, Betreuung und Behandlung. hogrefe. 2019.
https://www.3sat.de/wissen/scobel/scobel—traumata-wunden-der-seele-100.html